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Kleinsendungen sind für die Behörden zur echten Herausforderung geworden. Zum einen sind die gesetzlichen Bestimmungen auch für Kleinsendungen anzuwenden, zum anderen bewirkt ein gesetzeskonformer Vollzug geltender Bestimmungen einen – gemessen an den in Rede stehenden Bagatellmengen und -werten – oft unverhältnismässigen Verwaltungsaufwand. Eine Gratwanderung, welche angesichts des wachsenden grenzüberschreitenden Onlinehandels nicht einfacher wird.
Der Beitrag versucht, Kleinsendungen aus Sicht des Mehrwertsteuergesetzes (MWSTG) und des Urheberrechtsgesetzes (URG) zu beleuchten, den (geplanten) Vollzug zu erläutern und die möglichen Konsequenzen für die Besteller aufzuzeigen.
Aus mehrwertsteuerlicher Sicht handelt es sich um Gegenstände, die ab einem Ort im Ausland an einen Empfänger im Inland gesandt werden und bei denen der Einfuhrsteuerbetrag von CHF 5.- nicht überschritten wird.
Der Schwellenwert von CHF 5.- basiert auf Art. 53 Abs. 1 Bst. a MWSTG und der dazugehörigen Verordnung des EFD1. Diese Bestimmung ist verwaltungsökonomischer Natur, steht aber im Widerspruch zum Grundsatz der Wettbewerbsneutralität (Art. 1 Abs. 3 Bst. a MWSTG). Bei der Inlandsteuer besteht nämlich keine solche Wesentlichkeitsgrenze, d.h. ein steuerpflichtiges Unternehmen muss für sein Verkäufe im Inland auch Steuerbeträge unter CHF 5.- mit der ESTV abrechnen.
Wie eingangs erwähnt, erfreut sich namentlich der grenzüberschreitende Onlinehandel grosser Beliebtheit.
Addierte man die Anzahl aller im Zeitraum eines Jahres importierten Kleinsendungen, ergäbe sich ein erheblicher Steuerausfall. Was bei individueller Betrachtung eine Bagatelle ist, ist es bei Gesamtbetrachtung nicht mehr.
Die erste Massnahme, welche der Wettbewerbsverzerrung zulasten inländischer Lieferanten Abhilfe schaffen sollte, wurde auf den 01.01.2019 eingeführt: Die Versandhandelsregelung (Art. 7 Abs. 3 Bst. b MWSTG). Gemäss dieser Regelung verlagert sich der Ort einer Lieferung einer Kleinsendung dann ins Inland, wenn die Schwelle von CHF 100'000.- Umsatz pro Jahr (nur mit Kleinsendungen) erreicht wird. Konkret bedeutet dies, dass ein ausländischer Lieferant mit dem Erreichen dieser Umsatzschwelle in der Schweiz eine Steuerpflicht bei der Inlandsteuer begründet und mit dem Beginn der Steuerpflicht alle seine Lieferungen – auch jene, wo der Einfuhrsteuerbetrag von CHF 5.- überschritten wird – mit der Inlandsteuer abzurechnen hat. Wo vorher noch der inländische Abnehmer Importeur und Schuldner der Einfuhrsteuer war, ist es danach der ausländische Lieferant. Die Zollabwicklung muss also neu aufgesetzt werden, was für sich allein schon eine Herausforderung darstellt.
Nun, der Erfolg der Versandhandelsregelung war – gelinde gesagt – überschaubar. Zwar haben sich einige, vorab in Europa ansässige Versandhändler ins Schweizer MWST-Register eintragen lassen. Namentlich aber Versandhändler aus Fernost unterliessen es, sich zu registrieren. Oft wohl aus Unkenntnis. Nicht allen sind Zoll- und Steuervorschriften auf der anderen Seite der Erdkugel geläufig.
Auf den 01.01.2025 wurde zur Beseitigung des Problems eine weitere Massnahme, die Plattformbesteuerung (Art. 20a MWSTG), in Kraft gesetzt. Indem neu Lieferungen im Onlinehandel im Rahmen einer Fiktion einer Plattform zugeordnet werden können, genügt es, einzig die Plattform anstelle vieler Verkäufer, die die Plattform nutzen, zu registrieren. Mit dieser Regelung wird sogar neues Steuersubstrat geschaffen. So können neu Kleinsendungen auch dann besteuert werden, wenn der Verkäufer für sich allein die Umsatzschwelle von CHF 100'000.- aus Kleinsendungen gar nicht erreicht.
Es stellt sich die Frage, ob nun diese weitere Massnahme die bereits erwähnte Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen vermag. Ein Blick auf die Übersicht der ESTV über Versandhändler und Plattformen2 gibt, fast ein Jahr nach Einführung der Plattformbesteuerung, wenig Anlass zu Enthusiasmus.
Womöglich im Wissen darum, dass die Plattformbesteuerung auch nicht ausreicht, um die Besteuerungslücke an der Grenze zu schliessen, wurde zeitgleich mit Einführung der Plattformbesteuerung die Möglichkeit administrativer Massnahmen in Art. 79a MWSTG verankert. So kann die ESTV beispielsweise ein Einfuhrverbot für ausländische Versandhändler/Plattformen, die ihrer Registrierungspflicht nicht nachkommen, verfügen. Wenn der Registrierungspflicht dann immer noch keine Folge geleistet wird, kann die ESTV einen Schritt weitergehen und die entschädigungslose Vernichtung der Kleinsendungen verfügen. Letzteres bedeutet einen erheblichen Einschnitt in die Eigentumsrechte des inländischen Käufers, da dieser die vernichtete Ware in aller Regel bereits bezahlt haben dürfte.
Mit dem Vollzug dieser Massnahmen betraut ist das BAZG (Art. 79a Abs. 4 MWSTG). Was sich in der Theorie plausibel anhört, dürfte in der Praxis – angesichts der Paketflut, die Tag für Tag in die Schweiz gelangt – nicht so einfach umsetzbar sein: So hat das BAZG, das seine Kerntätigkeit seit seiner Reorganisation ohnehin mehr im Bereich der Sicherheit und weniger im Bereich Abgabenerhebung sieht, im Rahmen seiner beschränkten Ressourcen doch noch zahlreiche andere Aufgaben zu erfüllen. Eine lückenlose Umsetzung der administrativen Massnahmen ist damit illusorisch.
Des Weiteren darf man gespannt sein, ob und wie rasch die ESTV von der Möglichkeit, administrative Massnahmen einzuleiten, Gebrauch macht. Sie wären wohl insbesondere gegen einige Plattformen aus Fernost, die auf der Liste der ESTV fehlen, gerechtfertigt. Zudem sind sie gegenüber den Konsumenten nicht unbedenklich und das BAZG dürfte aufgrund seiner beschränkten Ressourcen wenig Freude an solchen «Aufträgen» der ESTV haben.
Worum geht es grundsätzlich? Es geht um Produktepiraterie, welche erhebliche Schäden für die Wirtschaft, für Konsumenten (Gesundheitsrisiken), aber auch für den Staat (Ausfälle von Steuern und Sozialabgaben) bewirkt. Ein Grossteil gefälschter Markenkleider, Handtaschen, Schuhe und Luxusuhren wird online bei ausländischen Lieferanten bestellt und gelangt auf dem Post- oder Kurierweg in die Schweiz. In ca. 90% aller Fälle gelangen solche Produktimitate in Kleinsendungen (max. drei Artikel mit einem Höchstgewicht von fünf kg brutto) in die Schweiz.
Das Zurückbehalten und die Vernichtung solcher Produktfälschungen durch das BAZG ist schon seit Jahren möglich. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand (sowohl für Kleinsendungen wie auch für Sendungen mit mehr als drei Artikeln bzw. mehr als fünf kg brutto) war aber immens. So mussten die Inhaber der Rechte am Originalprodukt wie auch die inländischen Besteller schriftlich avisiert werden. Die Waren mussten bis zur (zivilrechtlichen) Klärung der Sachverhalte oft lange durch das BAZG aufbewahrt werden.
Seit dem 1. Juli 2025 ist für Kleinsendungen aufgrund einer Anpassung der URV3 ein vereinfachtes Verfahren möglich, welches das BAZG in zweierlei Hinsicht administrativ entlasten soll. Im vereinfachten Verfahren wird zunächst nur jene Person über den Aufgriff an der Grenze informiert, die die Ware bestellt hat. Ist diese einverstanden, wird die Fälschung vernichtet. Nur wenn sie die Vernichtung ablehnt, wird der Rechteinhaber informiert, damit er weitere Schritte einleiten kann.
Des Weiteren ist für die Einfuhr von Produktfälschungen neu generell das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) zuständig. Das BAZG beschränkt sich inskünftig darauf, die zurückbehaltenen Fälschungen dem IGE zuzustellen, welches anschliessend das weitere Verfahren bis zur Vernichtung der Waren in die Wege leitet. Der Wegfall der administrativen Verfahrensleitung ermöglicht es dem BAZG, sich mehr auf seine Kerntätigkeiten zu fokussieren.
Die korrekte Erhebung der MWST wie auch die Vermeidung von Produktpiraterie ist aufwändig. Mit dem Blick auf das grosse Ganze kann bei Tausenden von Kleinsendungen nicht von Bagatellen gesprochen werden. Die gesetzlich vorgesehenen Sanktionsmöglichkeiten bei Widerhandlungen sind theoretisch griffig. Ob sie in der Praxis umgesetzt werden oder überhaupt umsetzbar sind, dürfte zu einem guten Teil von den Ressourcen des BAZG abhängig sein.
Ob Gesetzesbestimmungen Sinn machen, zeigt sich immer erst im Praxistest. Für eine schlüssige Beurteilung der Praxistauglichkeit der hier behandelten neuen Gesetzesbestimmungen ist es wohl noch zu früh. Grund für grosse Zuversicht besteht aber (leider) nicht.
1 https://www.fedlex.admin.ch/eli/oc/2024/572/de
3 Urheberrechtsverordnung (SR 231.11)
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