Aus der Praxis - Verzollung eines Flugzeugs: Teil 1 (Abflug in Richtung Vorsteuervergütung)

27.01.2022

Zoll- und Mehrwertsteuerrecht sind eng miteinander verknüpft und doch nicht deckungsgleich. Dieser zweiteilige Beitrag aus der Praxis soll das veranschaulichen. In diesem ersten Teil geht es vorab um Zollrecht. Im später folgenden zweiten Teil wird das Mehrwertsteuerrecht mehr Platz einnehmen. 

So viel vorweg: Es läuft nicht immer alles nach (Flug)Plan…

Sachverhalt
Die X AG hat ihren Sitz in Berlin (D). Sie bietet deutschlandweit Schulungen an, welche in umsatzsteuerlicher Hinsicht entweder Bildungsleistungen oder aber Beratungsleistungen (z.B. auftraggeberspezifische Inhouse-Schulungen) darstellen. Mehrheitsaktionär, Geschäftsführer und häufig im Einsatz stehender Dozent ist Jochen Vogts. 

Es kommt immer wieder vor, dass Jochen Vogts an sich unmittelbar folgenden Tagen beispielsweise in Berlin, dann in Hamburg und schliesslich in München auftritt. Aus diesem Grund hat die X AG ein kleines, gebrauchtes Flugzeug angeschafft (Preis: € 290'000), mit welchem Jochen Vogts von Schulungsanlass zu Schulungsanlass fliegt. Auf diese Weise kann der enge Terminplan trotz grosser Distanzen zwischen den Einsatzorten eingehalten werden.

In der Schweiz übt die X AG keine Geschäftsaktivitäten aus. Allerdings hat Jochen Vogts seinen privaten Wohnsitz in der Schweiz. So fliegt er auch hin und wieder nach einer Schulung bei einem deutschen Kunden in die Schweiz. Dabei steuert er jeweils einen seinem Wohnort nahegelegenen Sportflugplatz an. 

Vor dort aus fliegt er dann jeweils wieder zu einem nächsten Schulungseinsatz in Deutschland. Die Flüge in und aus der Schweiz dienen – anders ausgedrückt – dem Zurücklegen des Arbeitswegs oder dem dienstlichen Gebrauch.

Eines Tages erhielt Jochen Vogts ein an seine Wohnadresse adressiertes Schreiben der EZV (Eidgenössische Zollverwaltung heute: BAZG – Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit): Die EZV habe die Stationierung des in Deutschland immatrikulierten Flugzeugs auf einem sog. Nichtzollflugplatz festgestellt, was nicht zulässig sei. Das Flugzeug hätte bei einem sog. Zollflugplatz in ein Zollverfahren angemeldet werden müssen.

Rechtliche Grundlagen
Massgebend für diesen Sachverhalt ist Art. 35 Abs. 2 Bst. a ZV1. Gemäss dessen Wortlaut kann die EZV Personen mit Wohnsitz im Zollgebiet die vorübergehende Verwendung eines ausländischen Beförderungsmittels für den eigenen Gebrauch bewilligen, wenn diese bei einer Person mit Sitz oder Wohnsitz ausserhalb des Zollgebiets angestellt sind und das ihnen zur Verfügung gestellte ausländische Beförderungsmittel ausschliesslich für grenzüberschreitende Beförderungen im dienstlichen Auftrag und für solche zwischen Wohnort und ausländischem Arbeitsort benützen.

Eine Verwendung des Flugzeugs im Rahmen des (befristeten) Zollverfahrens der vorübergehenden Verwendung (ohne Entrichtung der Einfuhrabgaben) ist damit für Fälle wie jenem von Jochen Vogts in materieller Hinsicht ausdrücklich vorgesehen.

Es gilt aber auch, die formelle Seite zu beachten: Die Zollanmeldung in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung muss 

  • schriftlich (die Bedingungen für eine – auch denkbare – formlose Zulassung zu diesem Zollverfahren sind nicht erfüllt)
  • beim ersten Grenzübertritt
  • durch Landung auf einem Zollflugplatz

erfolgen.

Weil Jochen Vogts bis zum Erhalt des Schreibens bereits mehrfach in die Schweiz eingeflogen war, nie eine Zollanmeldung für das Flugzeug abgegeben hatte und zudem auf einem Nichtzollflugplatz gelandet war, geht die EZV von einer Nichtanmeldung aus. Ziffer 4.2.2 der Richtlinie 10-602, welche sich auf Art. 79 ZV abstützt, äussert sich wie folgt:

Unterlässt die anmeldepflichtige Person die Zollanmeldung zur Eröffnung des Verfahrens – d. h. es erfolgt keine oder eine zu späte Zollanmeldung –, gilt dies als Nichtanmeldung. 
Durch diese Nichtanmeldung verliert die anmeldepflichtige Person das Recht auf das Verfahren der vorübergehenden Verwendung und die damit zusammenhängenden Vorteile.
Die Zollstelle überführt die ausländischen Waren von Amtes wegen in den zollrechtlich freien Verkehr und erhebt die Einfuhrabgaben gemäss den allgemeinen Vorschriften (Waren in einen inländischen Zollstatus überführen).

Diese Verwaltungspraxis hat das Bundesverwaltungsgericht gutgeheissen3.

Folgen der Nichtanmeldung
Das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung wurde der X AG bzw. Jochen Vogts verweigert. Die EZV verlangte die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr (Einfuhr) unter Entrichtung der Einfuhrabgaben. 

Flugzeuge zur Verwendung in der Zivilluftfahrt sind generell zollfrei. Unter dem Titel «Einfuhrabgaben» fiel damit «nur» die Einfuhrsteuer in Höhe von ca. CHF 24'500 an. Dazu kam eine Busse von CHF 4'500 wegen unterlassener Zollanmeldung.

Bemerkungen aus Sicht der Beratung
Die zollrechtlichen Bestimmungen für den grenzüberschreitenden Gebrauch von Beförderungsmitteln stellen für Laien – mitunter auch für Experten – einen Dschungel dar, dem nur mit einem besonders scharfen Buschmesser einigermassen beizukommen ist. Genauso wichtig wie die Kenntnis der materiellen Bestimmungen ist die Einhaltung der formellen Verfahrenspflichten. Einfach mal in Richtung Schweiz losfliegen und sich danach um zollrechtliche Fragen zu kümmern, geht nicht.

Beratungsansatz
In Anbetracht der Sachlage und der geringen Aussicht auf Erfolg, haben wir der X AG bzw. Jochen Vogts davon abgeraten, Rechtsmittel gegen die Erhebung der Einfuhrsteuer und die Busse zu ergreifen.

Wir haben ihm aber, aufgrund besserer Erfolgsaussicht, empfohlen, die von der EZV erhobene Einfuhrsteuer bei der ESTV als Vorsteuer über das Vorsteuervergütungsverfahren gemäss Art. 151 ff. MWSTV zurückzufordern. Zu diesem Zweck haben wir die EZV ersucht, in der Veranlagungsverfügung MWST die X AG (per Wohnadresse von Jochen Vogts) als «Importeur» zu vermerken. Diesem Anliegen hat die EZV entsprochen.

«Bessere Erfolgsaussicht» darf aber nicht mit «Erfolgsgarantie» gleichgesetzt werden: Die Beziehung «MWST/Flugzeuge» ist mehr als nur belastet, weshalb wir auch für diesen Weg den Mahnfinger von Anfang hoben.

Alles Weitere in Teil 2, mit dem wir den Zuständigkeitsbereich der EZV verlassen und in jenen der ESTV wechseln.

[1] Zollverordnung vom 01.11.2006 (SR 631.01)
[2] R-10 Zollverfahren (www.bazg.admin.ch)
[3] Entscheid A-6590/2017 vom 27.11.2018, Erw. Ziffer 3.8.4


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