Aus der Praxis

08.04.2021

Die Saldosteuersatz-Methode klingt simpel und gefahrlos. Eine Vereinfachung für den Steuerpflichtigen soll es sein. Dies war der ursprüngliche Gedanke des Gesetzgebers. Nichts desto trotz lauern gerade dort, wo man keine vermutet, doch oft Gefahren. Dies möchten wir im nachfolgenden Praxisfall aufzeigen.

Die Fit GmbH bietet Seminare in allen möglichen Bereichen für Kaderpersonen an. Die Seminare werden teilweise öffentlich ausgeschrieben und als Standardkurse angeboten, teilweise auch von Unternehmen spezifisch auf sie zugeschnitten gebucht. Ab Beginn der Geschäftstätigkeit rechnet die Fit GmbH nach der Saldosteuersatz-Methode ab, um den administrativen Aufwand möglichst minim zu halten. Ihr wurde von der ESTV der Saldosteuersatz von 5.9 % zugeteilt. In den vergangenen Jahren erstellte die Fit GmbH für alle in der Schweiz stattfindenden Seminare, gleichwohl ob es sich um spezifische Kurse oder ausgeschriebene Standardkurse handelt, die Rechnungen jeweils mit 7.7 % Steuer aus und rechnete gegenüber der ESTV mit dem bewilligten Saldosteuersatz von 5.9 % ab.

Nach zwei Jahren stellt die Fit GmbH ihre Abrechnungsmethode aufgrund des inzwischen zu hohen Umsatzes auf Abrechnung nach der effektiven Methode um. Dabei vernimmt die Fit GmbH aus einem Fachartikel, dass Bildungsleistungen von der Steuer ausgenommen seien. Sie stellt eine schriftliche Anfrage an die ESTV, ob öffentlich ausgeschriebene Kurse, welche in erster Linie der Vermittlung von Wissen dienen, eine von der Steuer ausgenommene Bildungsleistung darstellen. Die ESTV bestätigt dies umgehend.

Daraufhin nimmt die Fit GmbH mit ihrem Treuhänder Kontakt auf, welcher sich vertrauenswürdig an uns wendet. Bereits beim ersten Gespräch wird erkannt, dass tatsächlich ein Teil des Umsatzes der Fit GmbH in den vergangenen Jahren Bildungsleistungen im Sinne von Art. 21 Abs. 2 Ziff. 11 MWSTG darstellt und eigentlich von der Steuer ausgenommen wäre.

Gesetzliche Grundlagen
Rechnet eine steuerpflichtige Person nach der Saldosteuersatz-Methode ab, muss sie die steuerbaren Leistungen im Inland zu dem ihr bewilligten Saldosteuersatz der ESTV deklarieren. Wenn sie dem Kunden die Steuer zum gesetzlichen Steuersatz überwälzt, bleibt bei der steuerpflichtigen Person eine Differenz zwischen der eingenommenen und der abgerechneten Steuer hängen, die angefallene Vorsteuer soll damit abgegolten sein. Von der Steuer ausgenommene Leistungen können nicht optiert werden, folgerichtig gibt es für solche Leistungen keinen Saldosteuersatz.

Gem. Art. 27 MWSTG gilt: ausgewiesene Steuer gleich geschuldete Steuer. 

Zum vorliegenden Fall
Die Fit GmbH hatte auf ihren in Rechnung gestellten Schulungsleistungen die Steuer von 7.7 % ausgewiesen. Da eine freiwillige Versteuerung (Option) von der Steuer ausgenommener Bildungsleistungen bei Anwendung der Saldosteuersatz-Methode nicht möglich ist, muss die Fit GmbH die ausgewiesenen 7.7 % der ESTV abliefern. Da sie die Leistungen zum Saldosteuersatz von 5.9 % mit der ESTV abgerechnet hat, muss sie nun noch die Differenz zu den ausgewiesenen 7.7 % nachbezahlen.

Abhilfe schaffen würde, wenn die Fit GmbH die an ihre Kunden ausgestellten Rechnungen korrigieren könnte was vorliegend leider nicht mehr möglich war, oder wenn die Fit GmbH glaubhaft machen kann, dass der ESTV kein Steuerausfall entstanden ist. Dies wäre vermutlich der Fall, wenn es sich bei den Leistungsempfängern um nicht steuerpflichtige Personen handeln würde, was vorliegend leider nicht der Fall war.

Fazit
Wo Vereinfachung steht, muss nicht unbedingt komplette Vereinfachung drin sein. Auch bei der Saldosteuersatz-Methode ist eine korrekte Handhabung unabdingbar, sonst können auch hier schnell hohe Steuernachzahlungen drohen.


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