Der aktuelle Gerichtsentscheid

12.03.2024

Bei Non-Profit-Organisationen stellt sich immer wieder die Frage, ob die ausgeübte Tätigkeit als unternehmerisch gilt und wenn eine unternehmerische Tätigkeit und damit eine obligatorische Steuerpflicht gegeben ist, welche Vorsteuern abgezogen werden dürfen. Die ESTV geht insbesondere bei kirchlichen Organisationen in der Regel davon aus, dass neben dem unternehmerischen Bereich auch ein nicht-unternehmerischer Bereich besteht und die angefallenen Vorsteuern entsprechend zu korrigieren sind.

Das Bundesgericht hatte in seinem Urteil vom 5. Oktober 2023 (9C_651/2022) den Fall eines kirchlichen Vereins mit ideeller Zwecksetzung zu beurteilen, der Musicals veranstaltete und diese vorwiegend mit Spenden finanzierte, aber auch Einnahmen aus Sponsoring und dem Verkauf von Merchandise-Artikeln erzielte. Die obligatorische Steuerpflicht war unbestritten. Strittig war der Umfang des Vorsteuerabzugs. Die ESTV vertrat die Ansicht, dass der Verein neben dem unternehmerischen Bereich auch einen nicht-unternehmerischen Bereich aufweist und die Vorsteuern dementsprechend zu korrigieren sind.

Erwägungen des Gerichts

Das Bundesgericht verweist auf seine frühere Rechtsprechung (BGE 142 II 488) wo es erkannt hatte, dass ein Unternehmensträger neben dem unternehmerischen Bereich auch einen nicht-unternehmerischen Bereich unterhalten kann. Ein solcher ist aber nicht leichthin anzunehmen. Von einem eigenständigen nicht-unternehmerischen Bereich darf mithin erst ausgegangen werden, wenn die Trennung ausreichend klar vollzogen werden kann, sei dies aufgrund einer nach aussen deutlich erkennbaren separaten Tätigkeit oder einer klaren Zweckbestimmung, die von jener der unternehmerischen Tätigkeit abweicht. Besteht ein eigenständiger nicht-unternehmerischer Bereich, der mit der unternehmerischen Tätigkeit nichts mehr zu tun hat, so hat diese steuererhöhende Tatsache die ESTV nachzuweisen.

Vorliegend verfolge die Organisation und Durchführung der Musicals klarerweise die ideellen Zwecke des Vereins. Der Beweggrund zur Veranstaltung der Musicals bilde nicht die Erzielung von Einnahmen (entsprechend wurden für den Besuch der Musicals auch keine Eintrittsgelder verlangt), sondern die Verfolgung ideeller Zwecke, weshalb die Musicalaufführungen nicht als unternehmerische Tätigkeit zu qualifizieren sei. Deshalb seien die vom Verein geltend gemachten Vorsteuern im nicht-unternehmerischen Bereich der Musicalaufführungen zu korrigieren. Für das Bundesgericht spielt es keine Rolle, dass die unternehmerische Tätigkeit einen Zusammenhang mit den Musicals aufweist. Beim kirchlichen Verein liege der Hauptzweck in seiner gemeinnützigen bzw. ideellen Tätigkeit und nicht im Verkauf von Merchandise-Artikeln und dem Sponsoring. Die ideelle Zweckbestimmung der Musicalaufführungen könne somit klar von jener der unternehmerischen Tätigkeit des Vereins unterschieden werden. Weil eine klar unterscheidbare Zweckbestimmung bestehe, sei es unerheblich, ob sie nach aussen hin deutlich erkennbar getrennt ausgeführt werden. Ebenso ohne Belang sei, ob die marginale unternehmerische Tätigkeit ohne die Musicals teilweise nicht erbracht werden könnte.

Fazit

Dies ist das zweite Gerichtsurteil mit dem das Bundesgericht bestätigt, dass bei kirchlichen Organisationen neben dem unternehmerischen Bereich auch ein nicht-unternehmerischer Bereich besteht, für welchen der Vorsteuerabzug nicht zugelassen ist. Mit der von der ESTV angewendeten Korrektur des Vorsteuerabzugs aufgrund des nicht-unternehmerischen Bereichs erfolgt faktisch eine Kürzung des Vorsteuerabzugs aufgrund des Erhalts von Spenden. Dies wollte der Gesetzgeber mit der Totalrevision 2009 aber gerade aufheben.
 


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