Asymmetrische Dividende - Drohen Steuerrisiken?

31.10.2023

Werden Dividenden an die Aktionäre einer Aktiengesellschaft abweichend von deren kapitalmässigen Beteiligungsquoten ausgerichtet, spricht man von einer asymmetrischen Dividende. Steuerrechtlich kann sich eine solche Vorgehensweise als nicht unproblematisch erweisen.

Die möglichen Steuerrisiken einer asymmetrischen Dividende können am einfachsten anhand eines Beispiels aufgezeigt werden:

Rico Huber und Doris Meier halten in ihrem Privatvermögen je 50% der Stimm- und Kapitalrechte an der Gewerbe Bern AG. Die Statuten der Gewerbe Bern AG entsprechen dem üblichen Standard, insbesondere enthalten sie keine Zusatzbestimmungen, wonach die Gewinnverteilung abweichend von den handelsrechtlichen Grundsätzen vorzunehmen wäre. Der Gewinnanspruch der einzelnen Aktionäre der Gewerbe Bern AG bemisst sich folglich nach den kapitalmässigen Beteiligungsquoten (d.h. entsprechend dem jeweiligen einbezahlten Aktienkapital).

Im Rahmen der Generalversammlung für das Geschäftsjahr 2022 einigen sich Rico Huber und Doris Meier darauf, dass aus dem verfügbaren Bilanzgewinn per 31. Dezember 2022 gesamthaft der Betrag von CHF 300‘000 ausgeschüttet wird, wobei Rico Huber eine Dividende von CHF 100‘000 und Doris Meier eine Dividende von CHF 200‘000 zustehen soll. Dies also abweichend von der vorerwähnten statutarischen bzw. handelsrechtlichen Regelung, wonach jeder Aktionär Anspruch auf einen den kapitalmässigen Verhältnissen entsprechenden Anteil am Bilanzgewinn hat, was vorliegend einer Dividende von je CHF 150‘000 entsprechen würde.
 


Da den Statuten der Gewerbe Bern AG keine Grundlage für asymmetrische Dividendenzahlungen entnommen werden kann, ist der Dividendenbeschluss von Rico Huber und Doris Meier anfechtbar. Verzichten die Aktionäre auf eine Anfechtung innerhalb der gesetzlichen Frist, entfaltet der Beschluss jedoch seine volle rechtliche Wirkung.

Aus steuerrechtlicher Sicht muss dagegen damit gerechnet werden, dass asymmetrische Dividenden seitens des Fiskus weniger grosszügig beurteilt werden. Anstelle der (vorliegend einkommenssteuerrechtlich privilegierten) Besteuerung von Dividenden im Betrag von CHF 100‘000 bei Rico Huber und CHF 200‘000 bei Doris Meier können abhängig von den jeweiligen Hintergründen und Sachverhaltskonstellationen eine Reihe unangenehmer Steuerfolgen resultieren:

Steht hinter dem asymmetrischen Dividendenbeschluss der Wunsch von Rico Huber, Doris Meier eine Schenkung zukommen zu lassen, würde der „Schenkungsanteil“ von CHF 50‘000 nicht bei Doris Meier, sondern bei Rico Huber als Dividende der Einkommenssteuer unterliegen. Entsprechend dem Wohnsitzkanton von Rico Huber und seinem familiären Bezug zu Doris Meier wäre u.U. zudem die Schenkungssteuer geschuldet.

Eine gänzlich andere steuerrechtliche Beurteilung resultiert, wenn die asymmetrische Dividende beschlossen wird, um Doris Meier für ihren überdurchschnittlichen Einsatz als Geschäftsführerin der Gewerbe Bern AG zu entschädigen. Aus der betriebswirtschaftlichen Perspektive stellt dann die um CHF 100‘000 überhöhte Dividende eine eigentliche Lohnzahlung dar. In solchen Fällen besteht die Möglichkeit, dass die steuerrechtliche Qualifikation basierend auf diesem wirtschaftlichen Hintergrund vorgenommen wird. Die rechtliche Ausgestaltung würde dann (u.U. unter dem Aspekt „Steuerumgehung“) mehr oder weniger weitgehend ignoriert, was alternativ die folgenden Steuerkonsequenzen nach sich ziehen kann:

  1. Die zusätzliche Dividende von CHF 100‘000 wird bei Doris Meier nicht privilegiert als Dividende, sondern ordentlich als Erwerbseinkommen besteuert. Ob bei der Gewerbe Bern AG ein entsprechender zusätzlicher Lohnaufwand gewinnsteuerlich geltend gemacht werden kann, hängt u.a. vom Stand der Veranlagung der Gewerbe Bern AG ab. Im schlechtesten Fall resultiert eine steuerliche Doppelbelastung desselben Steuersubstrats.
     
  2. Die zusätzliche Dividende von CHF 100‘000 wird bei Doris Meier nicht privilegiert als Dividende, sondern ordentlich als Tantiemen besteuert. Bei der Gewerbe Bern AG kann kein entsprechender zusätzlicher Aufwand geltend gemacht werden.
     

Ergänzend ist anzumerken, dass sowohl Erwerbseinkommen als auch Tantiemen den Sozialversicherungsabgaben unterliegen.

Aus Sicht der Verrechnungssteuer dürften sich im vorliegenden Beispiel der Gewerbe Bern AG mit den ebenfalls in der Schweiz ansässigen Aktionären Rico Huber und Doris Meier bei grundsätzlich korrekter Steuerdeklaration keine nicht lösbaren Probleme ergeben. Anders aber könnte es sich z.B. in internationalen Verhältnissen verhalten.

Fazit

Asymmetrische Dividenden können steuerliche Risiken bergen. Abhängig von den konkreten Gegebenheiten und den kantonal teilweise unterschiedlichen Praxen kann die steuerliche Beurteilung aber durchaus auch vorteilhafter ausfallen als vorstehend beschrieben. Zudem bestehen aus rechtlicher Sicht verschiedene Gestaltungselemente wie z.B. die Einräumung von Vorzugsaktien (Aktien mit finanzieller Privilegierung), welche in bestimmten Fällen die Ausrichtung einer asymmetrischen Dividende ohne steuerliche Umqualifikationen ermöglichen.

Doch Vorsicht: Unter Umständen kann die Begründung von Vorzugsrechten an sich bereits negative Steuerkonsequenzen nach sich ziehen. Eine frühzeitige Klärung der Möglichkeiten und Restriktionen lohnt sich daher.
 


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