Erkenntnisse aus der «Generalversammlungs-Saison 2023»

31.10.2023

Das erste Halbjahr ist längst passé und damit auch die Zeit, wo die meisten Generalversammlungen, Mitgliederversammlungen und Stiftungsratssitzungen stattfinden. Aufgrund der Teilnahme an diesen Versammlungen oder auch aufgrund der Durchsicht der entsprechenden Protokolle stellen wir immer wieder gewisse formelle Unschönheiten fest. Nicht alle sind dramatisch, aber einige haben es in sich und könnten zu erheblichen Konsequenzen führen. Von einigen Sachverhalten sind auch Vereine und Stiftungen betroffen.

Genehmigung und Einsicht Protokoll

Die Genehmigung des Protokolls in der darauffolgenden Versammlung ist ein sehr häufiges Traktandum. Mangels gesetzlicher Grundlage handelt es sich dabei jedoch um ein freiwilliges Traktandum und wäre grundsätzlich nicht notwendig, statutarische oder reglementarische Vorschriften vorbehalten.

Jeder Aktionär kann verlangen, dass ihm das Protokoll innert 30 Tagen nach der Generalversammlung zugänglich gemacht wird. Dies kann per E-Mail oder per Post geschehen.

Virtuelle Generalversammlung

Unter einer virtuellen Generalversammlung ist eine Versammlung mithilfe von elektronischen Mitteln zu verstehen (Art. 701d Abs. 1 OR). Eine solche kann abgehalten werden, wenn die Statuten dies vorsehen. Eine vorgängige entsprechende Statutenanpassung ist somit zwingend.

Folgende Aspekte sind unbedingt zu beachten:

  • Eindeutige Identifizierung der (stimmberechtigten) GV-Teilnehmenden
  • Ermöglichen einer Diskussion inkl. Antragsstellung
  • Gewährleistung einer Abstimmung in Echtzeit
  • Sicherstellung der Integrität der Abstimmungsergebnisse

Genehmigung Revisionsbericht

Es kommt vor, dass die Genehmigung des Revisionsberichtes sowohl traktandiert wird als auch effektiv über die Genehmigung abgestimmt wird. Grundsätzlich erstattet die Revisionsstelle schriftlich einen zusammenfassenden Bericht über das Ergebnis der Revision. Eine Genehmigung des Revisionsberichtes ist im Gesetz bei keiner Rechtsform enthalten. Man stelle sich die skurrile Situation vor, dass der Revisionsbericht nicht genehmigt würde. Was soll die Revisionsstelle nun tun? Einen neuen Bericht schreiben? Mit welchem Inhalt?

Fazit: Die Jahresrechnung wird durch das oberste Organ genehmigt. Der Revisionsbericht nicht, dieser wird nur zur Kenntnis genommen.

Reihenfolge der Genehmigung bzw. der Kenntnisnahme

Eine sinnvolle Reihenfolge der Präsentation und Traktandierung wäre:

  1. Präsentation Jahresrechnung
  2. Präsentation Revisionsbericht
  3. Kenntnisnahme des Revisionsberichtes und Genehmigung der Jahresrechnung durch das oberste Organ.

Erfolgt die Genehmigung der Jahresrechnung unmittelbar nach der Präsentation der Jahresrechnung, ist die Präsentation und Kenntnisnahme des Revisionsberichtes eigentlich obsolet.

Fazit: Die Genehmigung der Jahresrechnung muss nach der Präsentation und Kenntnisnahme des Revisionsberichtes erfolgen.

Konnex zwischen Protokoll und Beilagen (z.B. Jahresrechnung)

Der Trend, weg von Wortprotokollen zu knappen Beschlussprotokollen, ist im Grundsatz sicherlich zu begrüssen. Jahre später, wenn der Buchhalter gewechselt hat und die Ablage geändert wurde, ist es nicht immer so einfach, sämtliche relevanten Dokumente aufzufinden und vor allem einen Konnex zu schaffen (bspw. auch weil nicht immer mit der finalen Version der Jahresrechnung die Einladung erstellt wurde).

Empfehlung: Auch bei Beschlussprotokollen wesentliche Eckwerte aufnehmen. Beispiel:

  • Die Jahresrechnung mit einer Bilanzsumme von CHF 151'568.65 und einem Jahresgewinn von CHF 6'523.40 wird einstimmig genehmigt.
  • Dem Gewinnverwendungsantrag des Verwaltungsrates mit einer Zuweisung an die gesetzlichen Gewinnreserven von CHF 20'000.00, einer Dividendenausschüttung von CHF 60'000.00 (Fälligkeit 30.06.2023) und einem Vortrag auf neue Rechnung von CHF 1'523.60 wird einstimmig zugestimmt.

Wer unterschreibt das Protokoll?

Gemäss Art. 702 Abs. 3 OR muss das Protokoll vom Protokollführer und vom Vorsitzenden der Generalversammlung unterzeichnet werden. Dies gilt auch für die GmbH (Art. 805 Abs. 5 Ziffer 7 OR). Auch wenn bei anderen Rechtsformen entsprechende gesetzliche Vorschriften fehlen, empfehlen wir ein sinngemässes Vorgehen.

Entlastung des Stiftungsrates bzw. des Vereinsvorstandes (Décharge)

Bei der Aktiengesellschaft (Art. 758 OR i.V. Art. 698 Abs. 2 Ziffer 7 OR), der GmbH (Art. 804 Abs. 2 Ziffer 7 OR) und der Genossenschaft (Art. 879 Abs. 2 Ziffer 4 OR) hat das oberste Organ u.a. die unübertragbare Befugnis, dem Verwaltungsrat Entlastung zu erteilen. Das Stiftungs- und das Vereinsrecht kennen keine entsprechenden Vorschriften. Ein solcher Beschluss entfaltet keine Rechtswirkung. Selbstverständlich sind insbesondere Vereine frei in der Gestaltung ihrer Statuten und könnten einen Entlastungsbeschluss vorsehen.

Kann das Mandat als Verwaltungsrat ablaufen?

Ja. Das Bundesgericht hat sich mit dem Entscheid 4A_496/2021 vom Dezember 2021 dafür ausgesprochen, dass das Amt des Verwaltungsrates mit Ablauf des sechsten Monats nach Schluss des betreffenden Geschäftsjahres endet, wenn keine Generalversammlung nach Art. 699 Abs. 2 OR durchgeführt oder die Wahl des Verwaltungsrates nicht traktandiert wurde. Bei verspäteter Durchführung der Generalversammlung oder bei einer vergessenen (Wieder-)Wahl ist die Gesellschaft grundsätzlich nicht mehr handlungsfähig, da bspw. eine Einberufung der Generalversammlung durch den nicht ordentlich gewählten Verwaltungsrat formell ein Mangel darstellt und sämtliche Beschlüsse nichtig sind. Der Verwaltungsrat setzt sich so unnötigen Haftungsrisiken aus.

Fazit: Solche Risiken sind einfach zu eliminieren. Einerseits durch die Durchführung der Generalversammlung innerhalb von sechs Monaten nach Ende des Geschäftsjahres sowie durch die jährliche Traktandierung der Verwaltungsratswahlen (die Wahlen dürfen auch bei anderslautenden Statutenbestimmungen früher als alle drei Jahre durchgeführt werden).
 


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