Aus der Praxis

17.10.2023

Im heutigen Zeitalter des Internets gibt es immer mehr die Möglichkeit sich online auszutauschen. Dies auch im Bereich der Fernheilung und Lebensberatung, die der Persönlichkeitsentwicklung und -förderung dienen. Früher – in einer Welt ohne Internet – erfolgte die Behandlung üblicherweise in der Praxis, weshalb eine Ortsbestimmung beim Sitz des Leistungserbringenden galt. Was ist nun jedoch, wenn solche Leistungen ausschliesslich oder überwiegend online erbracht werden?

Sachverhalt

Die A. GmbH erbringt unter anderem Dienstleistungen zum Zweck der Harmonisierung, des Ausgleichs und der Heilung von Energien. Diese Dienstleistungen werden via Datenfernleitung erbracht. Die Kunden wählen sich durch einen zur Verfügung gestellten Link in eine Videokonferenz ein und werden dann persönlich betreffend alle möglichen Lebenslagen beraten (eins-zu-eins-Beziehung zwischen der leistungserbringenden und der leistungsempfangenden Person). Ziel ist es, dass die Kunden Unterstützung und Beratung zur Harmonisierung ihrer Lebenssituation, zur Selbstheilung und zur Verbesserung ihres allgemeinen Wohlbefindens erhalten.

In den meisten Fällen erfolgt die Leistungserbringung der A. GmbH wie beschrieben online. Es kann aber auch vorkommen, dass die Energieübertragung nach einem vorherigen Online-Vorgespräch ohne «live»-Kontakt erfolgt, also unter Abwesenden.

Um diese Dienstleistungen steuerlich korrekt qualifizieren zu können, stellte sich nun die Frage nach dem Ort der Leistung (Erbringer- oder Empfängerortsprinzip). Der steuerliche Ort bestimmt sich vorliegend entweder nach Art. 8 Abs. 2 Abs. a MWSTG (Ort der leistungserbringenden Person) oder nach Art. 8 Abs. 1 MWSTG (Ort der leistungsempfangenden Person).

Mehrwertsteuerliche Beurteilung

Bei der energetischen Behandlung via Fernleitung (online) handelt es sich um eine Dienstleistung (Art. 3 Bst. e MWSTG).

Dienstleistungen im Bereich der Fernheilung und Lebensberatung, die der Persönlichkeitsentwicklung und -förderung usw. dienen unterliegen grundsätzlich der Steuer zum Normalsatz, sofern sie als im Inland erbracht gelten (Art. 18 Abs. 1 MWSTG). Der Ort der Leistung richtet sich bei solchen Veranstaltungen nicht nach Art. 8 Abs. 1 MWSTG, sondern nach Art. 8 Abs. 2 Bst. a MWSTG, sofern die Beratungen üblicherweise in (physischer) Anwesenheit der Teilnehmer durchgeführt werden. Als Ort der Leistung gilt somit der Ort, an dem die dienstleistende Person den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Erbringt eine steuerpflichtige Person Leistungen nach Art. 8 Abs. 2 Bst. a MWSTG, welche typischerweise die Anwesenheit einer natürlichen Person bedingen (z.B. energetische Behandlungen, welche in einer Praxis erbracht werden) und werden diese Leistungen nur ausnahmsweise (und somit nur gelegentlich) auch online erbracht, so ändert sich an der Ortsbestimmung dieser Leistung nichts.

Die Anwendung von Art. 8 Abs. 2 Bst. a MWSTG ist an die Bedingung geknüpft, dass die Dienstleistung aus Sicht des Leistungserbringers typischerweise unmittelbar gegenüber physisch anwesenden natürlichen Personen erbracht wird, was nicht der Fall ist, wenn es sich um eine Dienstleistung handelt, welche vom Leistungsanbieter nur oder hauptsächlich aus der Ferne (d.h. in physischer Abwesenheit des Leistungsempfängers, d.h. etwa via Telefon oder Internet oder gar ohne direkte Interaktion) erbracht wird. Das Bundesgericht hat in seinem Entscheid BGE 139 II 346 hierzu Stellung genommen und festgehalten, dass es für die Frage der Anwendbarkeit von Art. 8 Abs. 2 Bst. a MWSTG auf die Art der (hauptsächlichen) Leistungserbringung (d.h. entweder unter physisch anwesenden Personen oder aus der Ferne in physischer Abwesenheit des Leistungsempfängers) und nicht auf den Leistungsinhalt ankommt.

Werden die genannten Leistungen ausschliesslich online bzw. ohne direkte Interaktion erbracht, so gelten diese Leistungen somit als am Ort erbracht, an dem der Leistungsempfänger oder die Leistungsempfängerin ihren Wohn- oder Geschäftssitz hat (Art. 8 Abs. 1 MWSTG).

Fazit

Die Energieübertragung kann mit einer Lebensberatung oder therapeutischen Behandlung aus Distanz (z.B. Online Cranio-Behandlung) verglichen werden. Dabei ist wohl mit einer Fernleitung ein Austausch möglich, eine Person muss aber nicht «typischerweise» anwesend sein bzw. ein physisches Treffen ist nicht nötig. Soweit es dabei nicht «typischerweise» eine anwesende natürliche Person benötigt, sondern diese Leistung «normalerweise» aus der Ferne erbracht wird, ist jeweils die Versteuerung beim Leistungsempfänger bzw. bei der Leistungsempfängerin abzurechnen. Folglich ist der Ort der Leistung nach Art. 8 Abs. 1 MWSTG am Sitz der leistungsempfangenden Person, sprich beim Kunden / bei der Kundin.
 


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