Aus der Praxis – Rechtsmittel

09.03.2023

Die Ankündigung einer MWST-Kontrolle durch die ESTV kann Fragen aufwerfen, ob man gut vorbereitet ist und wie man sich allenfalls gegen eine Steuernachbelastung wehren kann. Anhand des nachfolgenden Falles soll aufgezeigt werden, wie sich eine steuerpflichtige Person vor, während und nach der MWST-Kontrolle verhalten sollte, damit diese ohne grössere Probleme abläuft.

Die Finanzverantwortliche der Parex AG, Frau Dupont, hat vom Aussendienstmitarbeiter X der ESTV einen Telefonanruf erhalten, mit dem er einen Termin für eine MWST-Kontrolle vereinbaren will. Nachdem ein passender Termin gefunden wurde, bestätigt Herr X den Termin schriftlich und hält in diesem Schreiben auch fest, welche Unterlagen bereitzustellen sind.

Die erste Kontaktaufnahme der ESTV erfolgt in der Regel telefonisch, um einen Termin zu vereinbaren. Gemäss dem MWSTG sind die Kontrollen schriftlich anzukündigen, weshalb von der ESTV eine schriftliche Bestätigung mittels A-Post Plus erfolgt. Die schriftliche Ankündigung der Kontrolle unterbricht die Verjährung. Wichtig ist, die von der ESTV verlangten Unterlagen vollständig bereitzustellen. Speziell ist darauf zu achten, dass für alle Steuerperioden, die kontrolliert werden, auch eine Umsatzabstimmung vorhanden ist.

Am vereinbarten Termin beginnt Herr X mit der Kontrolle. Er interessiert sich vor allem für Leistungen, welche die Parex AG als von der Steuer ausgenommen qualifiziert hat. Er verlangt von der Parex AG die Vorlage der entsprechenden Verträge. Frau Dupont zögert, da sie mit den Vertragspartnern jeweils eine Verschwiegenheitsklausel eingegangen ist. Sie stellt sich die Frage, ob sie die Verträge herausgeben muss.

Die steuerpflichtige Person ist nach Art. 68 MWSTG verpflichtet über alle Tatsachen, die für die Steuerbemessung von Bedeutung sein könnten, nach bestem Wissen und Gewissen Auskunft zu erteilen. Die Parex AG muss also vorliegend Herrn X Einsicht in die Verträge gewähren.

Nachdem Herr X seine Prüfungshandlungen vorgenommen hat, erläutert er in einer Schlussbesprechung das Ergebnis der Kontrolle mit Frau Dupont und gibt ihr das Kontrollergebnis schriftlich ab. Die Nachbelastung ist relativ hoch und Frau Dupont möchte vermeiden, dass diese durch die Verzugszinsen noch weiter ansteigt.

In der Regel führt der Aussendienstmitarbeiter, der die Kontrolle durchführt, eine Abschlussbesprechung von sich aus durch. Wenn nicht, dann sollte der kontrollierte Steuerpflichtige eine solche verlangen. Eine vollständige oder teilweise Bezahlung der Steuernachforderung hat vorerst keine Konsequenzen. Aber sobald die Einschätzungsmitteilung erlassen wird, muss diese innert 30 Tagen bestritten werden, ansonsten die Steuernachforderung als vorbehaltlos bezahlt und damit rechtskräftig gilt. Mit einer Zahlung nach dem Erhalt des Kontrollergebnisses setzt sich die Parex AG unnötig einem Zeitdruck aus. Mit Zahlungen ist deshalb sinnvollerweise bis nach dem Erlass der Einschätzungsmitteilung zuzuwarten.

Drei Wochen nachdem Herr X das Kontrollergebnis abgegeben hat, erhält die Parex AG mit A-Post Plus die Einschätzungsmitteilung von der ESTV. Aufgrund der vorgebrachten Argumente wurde die Steuernachbelastung zwar reduziert, aber nicht im beantragten Umfang. Wie kann gegen die Einschätzungsmitteilung vorgegangen werden?

Eine Einschätzungsmitteilung ist keine Verfügung. Deshalb läuft für die Bestreitung der Einschätzungsmitteilung keine Frist, sofern nicht bereits nach Erhalt des Kontrollergebnisses eine Zahlung erfolgt ist. Auch nach Erhalt der Einschätzungsmitteilung kann die von der Steuerverwaltung geltend gemachte Steuernachforderung zur Unterbrechung des Verzugszinses vollständig oder teilweise beglichen werden, ohne dass dies einen Einfluss auf eine Bestreitung hat. Die Zahlung hat aber unter ausdrücklichem Vorbehalt zu erfolgen. Ohne entsprechenden Vorbehalt würde die Steuernachforderung wegen vorbehaltloser Bezahlung in Rechtskraft erwachsen. Die Bestreitung einer Einschätzungsmitteilung stellt das Ersuchen der steuerpflichtigen Person um Erlass einer Verfügung dar und ist an keine Formvorschriften gebunden. Auch wenn keine Begründung notwendig ist, empfiehlt es sich die Bestreitung zu begründen.

Einige Zeit nach der Bestreitung erlässt die ESTV eine Verfügung, mit welcher sie die Steuernachbelastung gemäss der Einschätzungsmitteilung bestätigt. Frau Dupont will wissen, was die Parex AG gegen die Verfügung unternehmen kann.

Gegen Verfügungen steht der steuerpflichtigen Person die Möglichkeit offen, innert 30 Tagen eine Einsprache zu erheben. Erfahrungsgemäss wird die ESTV auf Einsprache hin ihre Auffassung selten ändern. Die Erfolgschancen einer Einsprache sind in der Regel gering. Bei der Beurteilung, welche Erfolgschancen eine Anfechtung einer Verfügung hat, muss auf die Erfolgschancen vor Bundesverwaltungsgericht abgestellt werden. Wenn die Verfügung sog. «einlässlich», d.h. umfassend begründet ist, kann das Einspracheverfahren übersprungen werden.

Die Parex AG hat von der ESTV den Einspracheentscheid erhalten, mit dem die Einsprache abgewiesen und die Steuernachforderung gemäss Verfügung resp. Einschätzungsmitteilung bestätigt wird. Wie sieht das weitere Steuerjustizverfahren aus?

Gegen Einspracheentscheide ist innert dreissig Tagen eine Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht möglich. Das Bundesverwaltungsgericht ist eine verwaltungsunabhängige Gerichtsinstanz, welche den Sachverhalt mit sog. voller Kognition überprüft. D.h. das Bundesverwaltungsgericht stellt den rechtserheblichen Sachverhalt selber fest und wendet das geltende Recht von Amtes wegen an. Es ist nicht an die Anträge der Partei, d.h. der steuerpflichtigen Person und der ESTV, gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht ist die Instanz, vor welcher sämtliche möglichen Argumente und Beweismittel vorgebracht werden müssen. Bei einem allfälligen Weiterzug an das Bundesgericht ist dies nur noch in beschränktem Mass möglich.

Während das Verfügungs- und Einspracheverfahren bei der ESTV in der Regel keine Verfahrenskosten nach sich zieht, werden bei der Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht Verfahrenskosten erhoben. Die Höhe dieser Verfahrenskosten ist abhängig von der Höhe des Streitwertes. Bei einem (teilweisen) Obsiegen werden die Verfahrenskosten (anteilsmässig) zurückerstattet.

Nach einiger Zeit erhält die Parex AG das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und die Steuernachforderung erheblich reduziert. Die Parex AG verzichtet auf einen Weiterzug ans Bundesgericht.

Das Bundesverwaltungsgericht kann mit seinem Urteil die Beschwerde teilweise oder vollumfänglich gutheissen oder auch abweisen. Bei einer Gutheissung der Beschwerde kann das Gericht entweder selber die Höhe der Steuernachforderung festsetzen oder den Fall an die ESTV zurückweisen. Im vorliegenden Fall hat das Gericht selber entschieden und die Steuernachforderung festgesetzt. Verzichtet die steuerpflichtige Person oder die ESTV auf den Weiterzugs ans Bundesgericht, wird die Steuernachforderung rechtskräftig, d.h. in den kontrollierten Steuerperioden kann nun nichts mehr geändert werden. Sofern die Bezahlung der gesamten Steuernachforderung auf einmal der Parex AG nicht möglich ist, kann eine Ratenzahlung beantragt werden. Dabei ist zu beachten, dass der Verzugszins von derzeit 4% weiterhin geschuldet ist.

Fazit

Eine gute Vorbereitung einer Kontrolle kann viel Ärger ersparen. Führt die Kontrolle dennoch zu einer Steuernachbelastung, mit der man nicht einverstanden ist, gibt es Rechtsmittel, um sich dagegen zu wehren. Auf der Seite der steuerpflichtigen Person gelten im Steuerjustizverfahren relativ kurze gesetzliche Fristen, die nicht verlängert werden können. Es ist deshalb von Vorteil, wenn bereits vor oder spätestens nach dem Erhalt des Kontrollergebnisses mit der ESTV verhandelt wird, solange das formelle Steuerjustizverfahren noch nicht begonnen hat. Deshalb ist es ratsam, Hilfe von Spezialisten bereits früh und nicht erst in einem bereits laufenden Steuerjustizverfahren beizuziehen.


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