Der aktuelle Gerichtsentscheid

09.03.2023

Bei «Gratisleistungen» an das Personal stellt sich immer wieder die Frage, wie diese Leistungen mehrwertsteuerlich zu behandeln sind. Die Praxis der ESTV stellt dazu auf die Frage ab, ob die Leistung im Lohnausweis zu deklarieren ist. Dabei bezieht sich die ESTV auf die Wegleitung der Schweizerischen Steuerkonferenz (SSK). Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts können aber auch andere Quellen beigezogen werden.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seinem Urteil vom 14. November 2022 (A-245/2022) den Fall einer Holding zu beurteilen, die ihren Mitarbeitenden u.a. ein Generalabonnement kostenlos abgegeben hat. Die ESTV vertrat die Ansicht, dass diese Gratisabgabe der Generalabonnemente (GA) für private Zwecke erfolgte und die im Lohnausweis deklarierten Beträge zu versteuern sind.1 Die Holding hat dies bestritten.

Erwägungen des Gerichts

Damit überhaupt eine steuerbare Leistung vorliegt, muss sie im Austausch mit einem Entgelt erfolgen (sog. Leistungsverhältnis). Kein Leistungsverhältnis liegt vor, wenn es sich bei der fraglichen Leistung nur um eine Innenleistung zur betrieblichen oder unternehmerischen Leistungserstellung handelt, die Leistung also nicht bereits das Endprodukt bildet, das den betrieblichen Bereich verlässt. Bezüglich Naturalleistungen an das Personal enthält zwar das MWSTG keine ausdrückliche Regelung, aber nach der Regelung von Art. 47 MWSTV ist, wenn die mitarbeitende Person eine Leistung von der Arbeitgeberin erhält und die mitarbeitende Person dafür kein Entgelt in Form eines üblichen Zahlungsmittels entrichtet, für die mehrwertsteuerliche Behandlung massgebend, ob die empfangene Leistung im Lohnausweis zu deklarieren ist oder nicht. Besteht eine entsprechende Deklarationspflicht wird von einem Leistungsverhältnis ausgegangen und ein Entgelt in Form einer Arbeitsleistung angenommen. Hingegen liegt bei fehlender Deklarationspflicht ein «Geschenk» der Arbeitgeberin und damit kein Leistungsverhältnis vor. Welche Leistungen der Arbeitgeberin im Lohnausweis zu bescheinigen sind, ist grundsätzlich in der Wegleitung der Schweizerischen Steuerkonferenz (SSK) zum Ausfüllen des Lohnausweises (WL SSK) festgelegt. Dies ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nur insoweit gesetzeskonform, als der Nachweis offenstehen muss, dass im Einzelfall aus mehrwertsteuerlicher Sicht eine andere Würdigung geboten ist. Die Deklaration im Lohnausweis kann damit (höchstens aber immerhin) als Indiz für den mehrwertsteuerlichen Leistungsaustausch taugen.

Dass die Holding unbestrittenermassen eine unternehmerische Tätigkeit ausübt, sagt noch nichts darüber aus, ob die Abgabe von GA an die Mitarbeitenden aus geschäftlichen Gründen erfolgt oder nicht. Die WL SSK2 enthält keine Regelungen dazu, wann eine Abgabe von GA tatsächlich unternehmerisch begründet ist und wann nicht. Anhaltspunkte dafür liefert die Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO (WML). Nach WML gehören Weg- und Verpflegungsentschädigungen zum massgebenden Lohn, es sei denn, die Entschädigung für den Arbeitsweg besteht in der Abgabe eines GA und es werden damit während einem Jahr an rund 40 Tagen3 Dienstfahrten unternommen. Im zu beurteilenden Fall gelang es der Holding aber nicht nachzuweisen, dass die Mitarbeitenden mit dem erhaltenen GA an 40 Tagen im Jahr Dienstfahrten unternommen haben. Dies umso mehr, als die Holding mit mehreren Mitarbeitenden pauschale Autospesenentschädigungen vereinbart hatte. Für das Bundesverwaltungsgericht ist deshalb nicht nachvollziehbar, weshalb diesen Mitarbeitenden aus geschäftlichen Gründen zusätzlich ein GA abgegeben wurde.

Fazit

Bei Leistungen ans Personal ist nach diesem Urteil die WL SSK nicht alleine massgebend, sondern insbesondere die WML auch zu konsultieren, wenn es darum geht festzustellen, ob eine unentgeltliche Naturalleistung mehrwertsteuerlich zu erfassen ist. Bei der Abgabe eines GA oder eines Verbundabos des öffentlichen Verkehrs muss nachgewiesen werden können, dass diese mindestens an 40 Tagen für Dienstfahrten eingesetzt wurde, damit dies nicht auf dem Lohnausweis zu deklarieren und folglich als unternehmerisch gilt. Zudem ist darauf zu achten, dass nicht weitergehende Spesenvergütungen diesen Nachweis erschweren oder verunmöglichen.

1   In den ersten vier kontrollierten Steuerperioden waren die GA in den Lohnausweisen aufgeführt, in der letzten nicht.
2   Wegleitung der Schweizerischen Steuerkonferenz
3   Urteil A-245/2022 des Bundesverwaltungsgerichts (E. 5.1.1)


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