Heikles aus dem Gesundheitswesen

09.02.2023

Wird aufgrund des geltenden Einzelleistungstarifs für ambulante ärztliche Leistungen (TARMED) Rechnung gestellt, handelt es sich um von der Steuer ausgenommene Heilbehandlungen1. Leider zeigen die ersten Praxiserfahrungen, dass diese neue Regelung zu Problemen führt.

Tücken ausgenommene Leistungen

Ärztliche Dienstleistungen gelten gemäss Art. 21 Abs. 2 Ziff. 3 MWSTG als von der MWST ausgenommen. In dieser einfachen Formulierung lauern nun aber erhebliche Steuerfallen. Ausgenommen sind nämlich:

  • Ärztliche Heilbehandlung
    Aber nur bei Vorhandensein einer kantonalen Berufsausübungsbewilligung, woraus sich kantonale Differenzen ergeben.
  • In der Praxis verabreichte oder applizierte Medikamente und Hilfsmittel, wogegen die Abgabe von Hilfen und Medikamenten der Steuer unterliegen.
  • Die gerichtsmedizinischen Gutachten, welche die öffentlich-rechtlichen Spitäler und Institute der Rechtsmedizin im Auftrag der öffentlichen Hand (z.B. Polizei, Gerichte, SUVA, IV) erstellen, sofern die öffentliche Hand das Gutachten im eigenen Namen und für eigene Rechnung in Auftrag gibt.
  • Das Verfassen von medizinischen Berichten oder medizinischen Gutachten durch Ärzte und Zahnärzte zur Abklärung sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche. Was gilt nun aber bei Gutachten für die Krankentaggeldversicherung (KTG)?
  • Logistikdienstleistungen des Inhabers einer Arztpraxis an assoziierte Ärzte werden oft nicht als solche erkannt, weil der logistikdienstleistende Arzt keine Rechnung erstellt, sondern am Honorar der Ärzte an die Patienten eine Verrechnung vornimmt.

Die Aufzählung der Angehörigen von Heil- und Pflegeberufen in Art. 35 MWSTV ist nicht abschliessend. Die ESTV präzisiert deshalb in der MWST-Branchen-Info 21, dass…

«Ebenfalls als Angehörige eines Heil- und Pflegeberufs gelten Psychologen und Psychologinnen mit einem eidgenössisch anerkannten Weiterbildungstitel, Apotheker und Apothekerinnen, Optometristen und Optometristinnen sowie die ihnen gleichgestellten eidgenössisch diplomierten Augenoptiker und Augenoptikerinnen.»

Durch diesen neuen Passus in Ziff. 1.4 der MWST-Branchen-Info 21 werden die Apotheker und Apothekerinnen den heilbehandelnden Personen gleichgestellt und es ist irrelevant, ob Personen die Impfung in der Apotheke, im Spital oder der Arztpraxis verabreicht erhalten.

Risiken bei Infrastrukturnutzung und Gruppenpraxen

Das Mehrwertsteuergesetz bestimmt in Art. 21 Abs. 2 Ziff. 6 MWSTG, dass Dienstleistungen von Gruppenpraxen grundsätzlich von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind, soweit es sich beim Zusammenschluss um einzelne Ärzte im Rahmen einer einfachen Gesellschaft handelt. Die Tücke steckt jedoch im Detail der vertraglichen Vereinbarungen zur gemeinsamen Infrastrukturnutzung. Für Praxisgesellschaften in Form juristischer Personen (z.B. GmbH oder AG) und Personengesellschaften (Kommandit- oder Kollektivgesellschaften) gilt diese Mehrwertsteuerausnahme jedoch nicht. 

Fallbeispiel

Die Ärztinnen Achermann (Dr. A.), Bundi (Dr. B.) und Cäsar (Dr. C.) führen gemeinschaftlich eine Hausarztpraxis in Bremgarten. Alle drei Ärztinnen sind bisher als Einzelunternehmerinnen tätig und rechnen individuell mit den Krankenkassen über die gegenüber den Patienten erbrachten Leistungen ab. Die Praxisräumlichkeiten mieten die Ärztinnen gemeinsam und auch die Beschaffung der notwendigen Infrastruktur und des Verbrauchsmaterials erfolgt gemeinschaftlich. Ebenso ist das Praxispersonal von allen drei Ärztinnen gemeinsam angestellt. Gemäss dem zwischen den Ärztinnen abgeschlossenen Gesellschaftervertrag werden die angefallenen Kosten den drei Gesellschafterinnen anteilsmässig ohne Zuschlag belastet.

Dr. C. erreicht das Pensionsalter und will ihre Position in der Gemeinschaftspraxis an den jungen Arzt Dolder (Dr. D.) übertragen. Dr. D möchte nicht als Einzelunternehmer seine Leistungen anbieten und hat zu diesem Zweck die D. Gesundheits AG gegründet. 

Mehrwertsteuerliche Folgen

Mit der Zusammenarbeit schlossen sich A., B. und C. zu einer einfachen Gesellschaft zusammen. Diese einfache Gesellschaft ist zwar ein potentielles Mehrwertsteuersubjekt, allerdings hat der Gesetzgeber eine Ausnahme von der Steuer vorgesehen (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 6 MWSTG). Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahme ist, dass die angefallenen Kosten den Gesellschafterinnen zu Selbstkosten (d.h. ohne Zuschlag) weiterbelastet werden und es sich bei den Gesellschaftern um natürliche Personen handelt.

Will nun Dr. D. mit seiner D. Gesundheits AG dieser Gemeinschaftspraxis beitreten, so hätte dies mehrwertsteuerlich erhebliche Konsequenzen. Besteht die einfache Gesellschaft für den gemeinsamen Bezug von Leistungen nicht mehr ausschliesslich aus natürlichen Personen, sind die weiterbelasteten Leistungen nicht mehr von der Steuer ausgenommen, sondern zum gesetzlichen Steuersatz steuerbar. Dies hätte zur Folge, dass die Gemeinschaft mehrwertsteuerpflichtig werden kann. Die an der Gemeinschaft beteiligten Ärztinnen und der Arzt können die ihnen belastete Steuer nicht als Vorsteuer geltend machen, da sie ausgenommene Leistungen erbringen. Die Raummiete und die Personalkosten verteuern sich in diesem Fall. Die Folgen können zwar ein wenig gemildert werden, indem z.B. das notwendige Personal von den einzelnen Involvierten angestellt wird. Allerdings ist dies mehrwertsteuerlich nur dann unproblematisch, wenn das von einem Arzt angestellte Personal ausschliesslich für diesen tätig ist. Hilft das Personal sich gegenseitig aus (z.B. Ferienvertretung), so liegt mehrwertsteuerlich schon ein steuerbarer Leistungsaustausch vor und es besteht das Risiko, dass die einzelnen Ärzte subjektiv mehrwertsteuerpflichtig werden.

Fazit

Bevor eine Leistung als von der MWST ausgenommen codiert wird, muss ein MWST-Spezialist die Ausgestaltung und Rechnungstellung hinsichtlich der MWST Vorgaben prüfen.
 

1  Unter Vorbehalt der Änderungen in MWST-Branchen-Info 21 Gesundheitswesen der Eidg. Steuerverwaltung (ESTV) Ziff. 2.1.1


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