Der aktuelle Gerichtsentscheid

09.02.2023

Die Adventszeit ist zwar vorüber, aber beim vorliegenden Gerichtsentscheid spielt ein Adventskalender die entscheidende Rolle. Gemäss diesem Gerichtsentscheid ist nicht ausschliesslich die Art der Leistung, sondern allenfalls auch die Verpackung für den anwendbaren Steuersatz massgebend.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seinem Urteil vom 15. Februar 2022 (A-2686/2020) den Fall eines Müesliproduzenten zu beurteilen, der Portionen verschiedener Müeslis in der Form eines Adventskalenders verkaufte. Müesli als Nahrungsmittel unterliegt dem reduzierten Steuersatz von derzeit 2,5%, Adventskalender dahingegen dem Normalsatz von 7,7%. Umstritten war, zu welchem Steuersatz die Müesliportionen, die in einem Adventskalender verpackt sind, zu versteuern sind. 

Erwägungen des Gerichts

Im Mehrwertsteuerrecht stellt jede einzelne Leistung grundsätzlich ein selbständiges Steuerobjekt dar, d.h. voneinander unabhängige Leistungen werden selbständig behandelt. Leistungen, die miteinander verbunden sind (sog. Leistungskomplexe) werden mehrwertsteuerlich jedoch dann als einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang betrachtet, wenn sie wirtschaftlich derart eng zusammengehören und ineinandergreifen, dass sie entweder ein unteilbares Ganzes bilden (sog. Gesamtleistung) oder dass sie zueinander im Verhältnis einer Hauptleistung mit untergeordneter Nebenleistung stehen. Eine Gesamtleistung, welche als einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang behandelt wird, liegt vor, wenn mehrere Leistungen wirtschaftlich derart eng zusammengehören und ineinandergreifen, dass sie ein unteilbares Ganzes bilden. Eine Gesamtleistung ist gegeben, wenn der Leistungskomplex nicht in Einzelleistungen zerlegt werden kann, die jede für sich betrachtet einen wirtschaftlich sinnvollen Zweck erfüllen, oder wenn die Gesamtleistung durch eine solche Zerlegung zerstört, beschädigt oder verändert würde. Liegt eine Gesamtleistung vor, erfolgt die mehrwertsteuerliche Behandlung nach der für diese wesentlichen Eigenschaft, d.h. nach der Leistung, welche wirtschaftlich betrachtet im Vordergrund steht. Leistungen, die zueinander im Verhältnis von Haupt- und untergeordneter Nebenleistung stehen, sind steuerlich ebenfalls einheitlich zu beurteilen. Die Annahme einer solchen unselbständigen Nebenleistung setzt voraus, dass sie im Vergleich zur Hauptsache nebensächlich ist, mit der Hauptleistung wirtschaftlich eng zusammenhängt, die Hauptleistung wirtschaftlich ergänzt, verbessert oder abrundet und üblicherweise mit der Hauptleistung vorkommt. Die Hauptleistung stellt dabei den eigentlichen Kern des Leistungskomplexes dar.

Für das Bundesverwaltungsgericht handelt es sich beim Müesliadventskalender um eine Gesamtleistung. Dies insbesondere deshalb, weil die Leistungskomponenten nicht getrennt werden können. Wirtschaftlich im Vordergrund steht für das Bundesverwaltungsgericht nicht etwa der Inhalt. Adventskalender würden wegen den 24 Türchen und nicht wegen der Füllung gekauft. Dem Besitzer eines Adventskalenders sollen die verbleibenden Tage bis zum Weihnachtsfest angezeigt und dadurch die Wartezeit bis zum Fest verkürzt und die Vorfreude gesteigert werden. Die Müesli, die vorliegend als Füllung dienen, stehen dabei nach Bundesverwaltungsgericht erst an zweiter Stelle.

Fazit

Dieses Gerichtsurteil vermag nicht zu überzeugen. Die Komponenten des Adventskalenders können ohne weiteres gesondert geliefert werden. Erst wenn die leere Kartonbox mit den Müeslis befüllt ist, können diese nur durch Zerstörung des Kalenders entnommen werden. Der leere, weihnachtlich bedruckte Karton für sich allein ist aber – wie das Bundesverwaltungsgericht selber festhält – wirtschaftlich unbedeutend. Erst mit den Müslis erhält er einen für die Konsumenten interessanten Wert. Deshalb ist es unverständlich, dass das Gericht den Kalender und nicht den Inhalt als im Vordergrund stehend betrachtet. Für den Konsumenten ist doch der Inhalt und nicht der Kalender massgebend. Ein Konsument, der nicht gerne Müesli isst, wird am Überraschungsmoment, welchen das Gericht in den Vordergrund rückt, keine Freude haben, da der Inhalt für ihn nutzlos ist. Zudem ist erstaunlich, dass die Bezeichnung und die Gestaltung der Verpackung einen Einfluss auf den anzuwendenden Steuersatz haben soll. Würde nämlich dasselbe Produkt als «Degustationsbox» in einer neutralen braunen Kartonbox verkauft, käme wohl auch das Bundesverwaltungsgericht nicht auf die Idee, dafür den Normalsatz anzuwenden. Als Lehre ist diesem Urteil zu entnehmen, dass bei der Wahl der Verpackung und des Marketings die mehrwertsteuerlichen Implikationen nicht ausser Acht gelassen werden dürfen.


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