Aus der Praxis

27.05.2020

Die ESTV zeigt sich in der aktuellen Covid-19 Krise bereit, mit geeigneten Massnahmen die angespannte finanzielle Situation von steuerpflichtigen Unternehmen zu entschärfen. So werden z.B. auf Gesuch hin Rückerstattungen von Vorsteuerguthaben vorzeitig, d.h. vor Ablauf der 60 Tage Frist, ausbezahlt. Doch auch in normalen Zeiten bestehen für steuerpflichtige Unternehmen hinsichtlich Vermeidung von Liquiditätsengpässen gewisse ganz und gar legale Möglichkeiten, wie das nachfolgende Beispiel aus der Praxis zeigt.

Ausgangslage
Die Heidi’s Almhütten GmbH mit Sitz in Serfaus, Österreich hat sich auf die Vermietung von mobilen Almhütten in ganz Europa spezialisiert. Die urchigen Almhütten sind auch in der Schweiz beliebt, besonders während der Wintersaison kann Heidi’s Almhütten GmbH etliche Hütten an Schweizer Unternehmen vermieten. Diese Vermietungen begründen denn auch die Steuerpflicht der Heidi’s Almhütten GmbH in der Schweiz. Die Heidi’s Almhütten GmbH hat sich deshalb regelkonform als MWST-Pflichtige bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung registrieren lassen, einen Fiskalvertreter in der Schweiz bestellt und rechnet nach vereinnahmten Entgelten und der effektiven Methode (Umsatzsteuer abzüglich Vorsteuer) ab. 
Die Almhütten haben einen Wert von teilweise mehreren Hunderttausend Schweizerfranken. Wie in solchen Fällen üblich, wird für die Einfuhr der Almhütten in die Schweiz das Standardverfahren für die vorübergehende Verwendung von Waren mit der Zollanmeldung für die vorübergehende Verwendung ZAVV angewendet. Die Zollverwaltung verlangt für das Verfahren mit der ZAVV eine Sicherheitsleistung (Depot) der Abgaben in Form einer Bürgschaft oder einer Barhinterlage. Die Sicherheitsleistung umfasst den Betrag, der bei der definitiven Verzollung (Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr) zu bezahlen wäre. Bei vollständiger und rechtzeitiger Wiederausfuhr aller Waren wird die Hinterlage zurückerstattet bzw. die Bürgschaft entlastet. 
Im Anschluss an die Wiederausfuhr erhebt die Zollverwaltung die Einfuhrsteuer auf dem Mietentgelt. Dazu stellt sie der Heidi’s Almhütten GmbH jeweils einen Fragebogen zu, auf dem die Miete unter Beilage der Mietrechnung(en) anzugeben ist. Aufgrund dieser Angaben erhält Heidi’s Almhütten GmbH eine Veranlagungsverfügung MWST. Veranlagungsverfügungen MWST aufgrund von ZAVV werden bis anhin noch physisch erstellt (im Gegensatz zu den elektronischen Veranlagungsverfügungen eVV bei der Einfuhr in den zollrechtlich freien Verkehr). Die Zahlungsfrist beträgt 60 Tage. 

Kein Liquiditätsabgang trotz Abrechnung nach ver-einnahmten Entgelten
Im Zusammenhang mit einer Almhüttenvermietung im Berner Oberland im Januar 2020 erhält die Heidi’s Almhütten GmbH am 31. März 2020 eine Rechnung der EZV für CHF 9‘261.35 Einfuhrsteuer, zahlbar bis 30. Mai 2020. Die Rechnung an den Kunden über € 118‘470 inkl. 7,7% MWST datiert vom 13. Dezember 2019 und wurde gesamthaft am 31. Dezember 2019 bezahlt. Aufgrund der gewählten Abrechnungsart (vereinnahmte Entgelte) deklariert Heidi’s Almhütten GmbH somit im 4. Quartal 2019 einen steuerbaren Bruttoumsatz von CHF 131‘442.45 (Umrechnung zum Monatsmittelkurs Dezember 2019: 1.1095) und Umsatzsteuer von CHF 9‘397.45. Die geschuldete Steuer überweist sie fristgerecht bis am 29. Februar 2020 der ESTV.
Obwohl die Rechnung über die Einfuhrsteuer erst im Verlauf des 2. Quartals bezahlt wird, darf Heidi’s Almhütten GmbH den entsprechenden Vorsteuerabzug bereit im 1. Quartal 2020 geltend machen, da gemäss Art. 40 Abs. 4 MWSTG der Anspruch auf Vorsteuerabzug aufgrund der Einfuhrsteuer bereits am Ende der Abrechnungsperiode entsteht, in der die Steuer festgesetzt wurde. Der Fiskalvertreter reicht die MWST-Abrechnung der Heidi’s Almhütten GmbH bereits am 1. April 2020 über das Portal ESTV SuisseTax ein. Mangels anderen Umsätzen und Vorsteuern weist die Abrechnung ein Guthaben von CHF 9‘261.35 aus. Dieses wird der Steuerpflichtigen innerhalb von 60 Tagen nach Eingang der Abrechnung bei der ESTV rückvergütet, also spätestens bis am 30. Mai 2020. Im Zeitpunkt der Fälligkeit der Rechnung der EZV verfügt die Heidi’s Almhütten GmbH also bereits über die zurückgeforderte Einfuhrsteuer und es entsteht ihr somit kein Liquiditätsabfluss. 

Covid-19 Unterstützungsmassnahmen
Da die Termine nicht immer so ideal fallen wie in unserm Praxisfall, kann eine Rechnung der EZV über Einfuhrsteuern trotzdem zu einem Liquiditätsengpass führen. In der aktuellen Covid-19 Krise bieten jedoch sowohl die ESTV als auch die EZV Unterstützungsmassnahmen. Einerseits können die Steuerpflichtigen bei der ESTV ein Gesuch für die vorzeitige Rückerstattung - also vor Ablauf der 60 Tage Frist - von Vorsteuerguthaben einreichen. Die EZV ihrerseits verzichtet auf Mahngebühren und Verzugszinsen und bietet die Möglichkeit - auf schriftlichen Antrag - der Stundung bzw. Ratenzahlung. Im vorliegenden Fall könnte die Heidi’s Almhütten GmbH - würden die Termine weniger günstig fallen - dank den erwähn-ten Möglichkeiten trotzdem einen Liquiditätsengpass vermeiden.


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