Neue Pflichten für den Stiftungsrat bei drohender Zahlungsunfähigkeit

03.10.2022

Im Rahmen der Aktienrechtsreform wurden auch die entsprechenden Artikel betreffend Zahlungsunfähigkeit, Kapitalverlust, Überschuldung und Aufwertung überarbeitet. Davon sind teilweise auch Stiftungen betroffen.

Schon bis anhin musste gemäss Art. 84a ZGB bei begründeter Besorgnis einer Überschuldung oder wenn die Stiftung ihre Verbindlichkeiten längerfristig nicht mehr erfüllen konnte, durch den Stiftungsrat entsprechende Massnahmen ergriffen werden (u.a. Zwischenbilanz, Benachrichtigung der Aufsichtsbehörde).

Ab dem 1. Januar 2023 gilt neu folgendes: 

Bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung muss das oberste Stiftungsorgan umgehend die Aufsichtsbehörde benachrichtigen. Stellt die Revisionsstelle fest, dass die Stiftung zahlungsunfähig oder überschuldet ist, so benachrichtigt sie die Aufsichtsbehörde. Die Aufsichtsbehörde ihrerseits wird den Stiftungsrat zur Einleitung von notwendigen Massnahmen zur Sanierung der Stiftung anhalten. Bleibt der Stiftungsrat untätig, wird die Aufsichtsbehörde die notwendigen Massnahmen ergreifen oder selber das Gericht benachrichtigen.

Was ist eine drohende Zahlungsunfähigkeit?
Von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit spricht man, wenn die Stiftung über eine längere Zeitdauer voraussichtlich nicht oder kaum in der Lage sein wird, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen (z.B. Zahlungen an Lieferanten, Löhne, Sozialversicherungen). Saisonale oder vorübergehende Zahlungsengpässe gelten hingegen nicht als Zahlungsunfähigkeit.

Die Massnahmen, um eine drohende Zahlungsunfähigkeit zu verhindern sind komplex. Die Ursache der Zahlungsunfähigkeit ist zu analysieren. Es ist ein wesentlicher Unterschied hinsichtlich der zu ergreifenden Massnahmen, ob die Zahlungsunfähigkeit aufgrund eines Ausfalls eines wesentlichen Projektpartners erfolgte, aber das Geschäftsmodell grundsätzlich funktioniert, oder ob das Geschäftsmodell schon seit mehreren Jahren kränkelt und negative Ergebnisse und negative Cashflows generiert.

Nicht selten ist die drohende Zahlungsunfähigkeit das weitaus akutere Problem als eine Überschuldung. Ein Betrieb mit Überschuldung, aber genügend Liquidität lässt sich in der Regel «einfacher» sanieren als umgekehrt.

Was ist eine Überschuldung?
Von einer Überschuldung spricht man, wenn das Fremdkapital grösser ist als die Aktiven. Oder umgekehrt – wenn das Stiftungskapital negativ ist.

Eine Überschuldung passiert in der Regel nicht einfach so über Nacht, sondern zeichnet sich teilweise über mehrere Jahre mit stetig negativen Ergebnissen ab. Nebst den langfristigen Massnahmen zur Anpassung des Geschäftsmodells, gibt der Gesetzgeber auch eine gewisse Hilfestellung zur kurzfristigen Beseitigung einer Überschuldung. Aber Achtung: folgende Massnahmen sind nur Bilanzkosmetik und keine echte Sanierung, u.a. die Aufwertung von Grundstücken und Beteiligungen.

Art. 84a ZGB verweist auf die entsprechenden Artikel im Aktienrecht (Art. 725c OR). Zur Behebung einer Überschuldung dürfen Grundstücke und Beteiligungen an Unternehmen über ihre Anschaffungs- oder Herstellkosten aufgewertet werden, wenn der wirkliche Wert höher ist. Der Aufwertungsbetrag muss gesondert unter den gesetzlichen Gewinnreserven als sogenannte Aufwertungsreserve ausgewiesen werden. Dieser Vorgang muss durch einen zugelassenen Revisor geprüft werden.

Man realisiert sofort, wir haben hier weder mehr Geld noch das Geschäftsmodell fit gemacht. Wir haben lediglich Zeit gewonnen, durch die Aufwertung von Aktiven und Verbuchung des Aufwertungsbetrags im Eigenkapital.

Darlehen mit Rangrücktritt gemäss Art. 725b Abs. 4 Ziff. 1: Eine der häufigsten kurzfristig wirkenden Massnahem bei Überschuldungen ist das Darlehen mit Rangrücktritt. Entweder auf bestehenden Darlehen oder auf neu zu gewährenden Darlehen, wenn zusätzlich flüssige Mittel benötigt werden.

Bei Kapitalgesellschaften gibt es in der Regel einen (Anker-)Aktionär, welcher am Fortbestand der Unternehmung ein hohes Interesse hat. Bei Stiftungen gestaltet sich die Suche nach Darlehensgebern erfahrungsgemäss schwieriger, kommen sie im Normalfall meistens ohne Darlehen aus bzw. benötigen ein Darlehen erst bei finanziellem Ungemach. 

Ein Darlehen mit Rangrücktritt bleibt ein Darlehen und ist entsprechend als Fremdkapital auszuweisen. Für die Berechnung der Überschuldung wird dieses Darlehen jedoch ausgeklammert (Aktiven minus Fremdkapital) bzw. als Eigenkapital betrachtet (negatives vs. positives Eigenkapital). 

Mit dem Rangrücktritt erklärt der Gläubiger schriftlich, dass er im Rang hinter alle anderen Gläubiger zurücktritt und seine Forderung stundet, bis alle anderen Gläubiger befriedigt sind. Ab dem 1. Januar 2023 muss der Rangrücktritt auch allfällige Zinsforderungen umfassen. Aus Sicht des Rangrücktrittgebers ebenfalls nachteilig ist, dass der Rangrücktritt während der Überschuldung aktuell nicht reduziert werden kann. Dementsprechend kommen als Darlehensgeber nur natürliche und juristische Personen in Frage, welche mit genügend finanziellem Polster und Atem unterwegs sind.

Schlussfolgerung
Neue Pflichten für den Stiftungsrat sind vorliegend auch mit zusätzlichen Haftungsrisiken verbunden. Pflichtverletzungen (nicht handeln, zu spät handeln) können unter Umständen auch in Schadenersatzforderungen seitens der Gläubiger gegenüber dem Stiftungsrat münden. 

Hier geht es um die finanzielle Führung einer Stiftung, also eigentlich nichts neues. Als Stiftungsrat haben Sie dafür zu sorgen, dass ein für die Organisation angemessenes Führungsinstrument, sprich Budget und Finanzplan, sowie weitere wichtige Kennzahlen zur Steuerung des Geschäfts zeitnah und stufengerecht im obersten Stiftungsorgan analysiert und besprochen werden und daraus Massnahmen ergriffen werden. Dieser Prozess ist entsprechend zu dokumentieren, bspw. mittels Protokollierung, Führen von Pendenzenlisten etc. 


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