Der aktuelle Gerichtsentscheid

20. November 2024

Sind mehrere Parteien an einer Leistungserbringung beteiligt, kann sich die Frage stellen, wer wem welche Leistung erbringt. Wie das hier besprochene Urteil (Urteil vom 8. August 2024; 9C_67/2024) zeigt, kann die Antwort auf diese Frage erhebliche mehrwertsteuerliche Konsequenzen haben.

Sachverhalt

Die A. SA betreibt eine Internetplattform auf der u.a. fertig zubereitete Mahlzeiten von Partnerrestaurants für die Lieferung nach Hause bestellt werden können. Die A. SA ist im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eingetragen. Aufgrund einer Kontrolle stellte die ESTV für die Steuerperioden 2013 bis 2016 eine Steuernachforderung von CHF 285''371 in Rechnung. Die ESTV stellte sich auf den Standpunkt, die A. SA sehe sich zu Unrecht als Lieferantin der zum reduzierten Satz steuerbaren Take-Away Lieferungen. Die A. SA sei Vermittlerin und habe die ihr zustehende Kommission und die Lieferkosten zum Normalsatz zu versteuern. Das Bundesverwaltungsgericht hiess die Beschwerde der A. SA gut, worauf die ESTV Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht erhob.

Erwägungen des Bundesgerichts

Nach Art. 20 Abs. 1 MWSTG gilt eine Leistung als von derjenigen Person erbracht, die gegen aussen als Leistungserbringerin auftritt. Wenn eine Person im Namen und auf Rechnung einer anderen Person handelt, sieht Art. 20 Abs. 2 MWSTG vor, dass die Leistung als durch die vertretene Person erbracht gilt, sofern die handelnde Person Folgendes nachweisen kann: Sie handelt als Stellvertreterin, kann die vertretene Person eindeutig identifizieren und gibt das Stellvertretungsverhältnis entweder ausdrücklich bekannt oder dieses ergibt sich aus den Umständen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen, dass sich die A. SA gegenüber den Kunden als «Lieferdienst ihres bevorzugten Restaurants» präsentierte und ihnen «einen professionellen, schnellen und effizienten Heimlieferservice» in Aussicht stellte. Gegenüber den Kunden wird auf der Webseite kein Vertretungsverhältnis geltend gemacht. Während dem gesamten Bestellprozess kommen die Kunden nie mit dem Restaurant in Kontakt. Reklamationen sind an die A. SA zu richten. Auch die Bezahlungen erfolgten über die A. SA. In den Rechnungen werde zwar das Partnerrestaurant als Zubereiter der Lieferung genannt, die Rechnung wird aber im Namen der A. SA unter Verwendung ihres Logo, ihrer Adresse, ihrer Telefonnummer und ihrer E-Mail-Adresse ausgestellt. Deshalb ist für das Bundesverwaltungsgericht die A. SA nicht blosse Vermittlerin, sondern die Erbringerin der Take-Away Lieferung.

Das Bundesgericht qualifiziert die erbrachten Leistungen anders. Für das Bundesgericht steht im Vordergrund, dass sich die A. SA als «Bestell- und Lieferservice» bezeichnet. Weiter ist in den AGB’s der A. SA ausdrücklich festgehalten, dass die A. SA einzig als «Vermittlerin» auftrete und die Kunden «einen Vertrag mit dem Restaurant ohne Einbezug der A. SA» abschliessen würden. Betreffend der Rechnung hält das Bundesgericht fest, dass diese schon unter dem Logo der A. SA erfolgt, das Partnerrestaurant und die von ihm zubereiteten Speisen stehen aber im Zentrum dieser Rechnungen. Aufgrund des Auftritts der A. SA ist sie blosse Vermittlerin und nicht Erbringerin der Take-Away Lieferungen. Leistungserbringer für die Take-Away Lieferungen ist nach der Beurteilung des Bundesgerichts das Partnerrestaurant und nicht die A. SA. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde der ESTV gut.

Fazit

Dieses Gerichtsurteil verdeutlicht, dass dieselben Sachverhaltselemente von Bundesverwaltungsgericht und Bundesgericht unterschiedlich qualifiziert werden können. Gegen die Auffassung der A. SA haben sicher die eigenen AGB’s gesprochen. Damit bei der eigenen mehrwertsteuerlichen Qualifikation keine Probleme auftauchen, ist es entscheidend, dass die Vertragsdokumente und der Internetauftritt der Qualifikation nicht widersprechen.

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